col2

Spannungsfeld Naturschutz und Windkraftanlagen

Viele Fledermäuse kommen durch die Rotoren von Windrädern ums Leben. (Foto: Brinkmann)

Erschienen im Mittelhessen-Boten am Mittwoch, 20.02.2013.

Der heutige Beitrag der Artikelreihe „Aspekte zur Nutzung der Windenergie“ beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld Naturschutz und Windkraftanlagen.

Durch unseren dicht besiedelten und intensiv genutzten Lebensraum werden vermehrt Standorte für Windkraftanlagen (WKA) auf den windgünstigen Höhen der Wälder ausgewiesen. Im Ökosystem Wald leben jedoch eine große Anzahl von Tieren und Pflanzen, die hier zuhause sind oder vor einer Intensivnutzung und Bebauung außerhalb des Waldes ausweichen mussten.

  • Avifaunistisches Gutachten

    Zur Vermeidung von Schäden durch Windräder im Ökosystem Wald ist es vom Gesetzgeber vorgeschrieben, ein Gutachten über Flora und Fauna, auch „avifaunistisches Gutachten“ genannt, erstellen zu lassen. Diese Gutachten werden von Kommunen, die den Bau von WKA beabsichtigen, oder von Windkraftprojektieren in Auftrag gegeben. Das Ergebnis des Gutachtens entscheidet darüber, ob eine Fläche mit entsprechender Windhöffigkeit bebaut werden darf oder ob diese Fläche aufgrund Gefährdung bedrohter Tierarten von WKA frei bleiben muss. Der Gutachter sammelt alle verfügbaren Daten von staatlichen Stellen, von Naturschutzverbänden bis hin zu Informationen von Bürgern mit Ortskenntnis und verbindet diese Daten mit eigenen Feldstudien, um dann Aussagen zu einem naturverträglichen Einsatz der Windenergie treffen zu können. Einige Tierarten sind besonders durch WKA gefährdet. 

  • 1.500 Meter Abstand zum Rotmilan (Gabelweihe)

    Der etwa mäusebussardgroße Greifvogel gehört zur Familie der Habichte. Das typische Erkennungsmerkmal ist sein tief gegabelter, rostroter Schwanz. Deutschland trägt für den Rotmilan eine besondere Verantwortung, denn etwa 60 Prozent der Weltpopulation von etwa 24.000 Paaren brütet bei uns, davon 10 Prozent in Hessen. Außerdem hat der Rotmilan- Bestand seit den 90er Jahren um 30 Prozent abgenommen. Bedingt durch sein Jagdverhalten als Suchflugjäger (wobei er seine Beute während des Fluges ausfindig macht und dabei fast ausschließlich nach unten schaut) wird er häufig ein Schlagopfer von Windrädern. So müssen rund um den Brutplatz eines Rotmilans 1500 Meter Abstand eingehalten werden. Hinzu kommt im Radius von vier Kilometern eine Tabuzone, in der die Vögel ihre Nahrung suchen. (Quelle: Gutachten der staatlichen Vogelschutzwarte in Frankfurt zuständig für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland) 

  • 5.000 Meter Abstand zur Mopsfledermaus

    Die meisten Fledermäuse sind in der Nacht aktiv und daher kaum bekannt. So findet fast unbemerkt ein großes Artensterben der Fledermäuse statt – mehr als 50 Prozent der Arten sind in ihrem Bestand bedroht. Dabei sind Fledermäuse ökologisch wertvoll, und ihr Verlust wäre folgenschwer. Fledermäuse sind zum Beispiel als Schädlingsbekämpfer und Bestäuber äußerst wichtig für die Biodiversität und das ökologische Gleichgewicht. In Europa gibt es 53 Arten, davon zehn in der Rhein-Main-Region. Viele von ihnen kommen bei der Jagd oder bei ihren Frühjahrsund Herbstzügen durch die Rotoren von Windrädern ums Leben. In der Nähe der Rotoren platzen ihnen durch die Druckunterschiede die Lungen, sie werden weggeschleudert und meist noch in derselben Nacht gefressen, etwa von Fuchs oder Waschbär. Deshalb ist der Nachweis einer Schädigung für hoch fliegende Fledermausarten, wie zum Beispiel den Kleinen Abendsegler, schwierig. Die Mopsfledermaus zählte früher zu einer der häufigsten einheimischen Arten. Aufgrund mangelnder Funde gilt sie heute in vielen Gegenden Deutschlands als ausgestorben. Durch Quartiersverluste an und in Gebäuden durch Renovierungen und Vollwärmeschutz ist sie stärker denn je auf den Wald angewiesen. Sie steht heute auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere und genießt deshalb eine besondere Schutzzone. Zur Wochenstube (Nest) einer Mopsfledermaus muss laut WKA-Leitfaden für Hessen ein Abstand von 5.000 Metern eingehalten werden. 

  • 3.000 Meter Abstand zum Schwarzstorch

    Der Schwarzstorch ist ein scheuer Bewohner alter, geschlossener Wälder, die Stillund Fließgewässer aufweisen. Er ist mit zwölf Brutpaaren im Vogelsbergkreis sowie auf bayerischer Seite bei der Gemeinde Westerngrund bestätigt. Schwarzstörche sind sehr empfindlich gegenüber Störungen und meiden daher weitgehend die Nähe von menschlichen Siedlungen. Die Verantwortung für den Schutz dieses Waldvogels ist so hoch, dass er eine gesetzliche Tabuzone von 3.000 Metern um seinen Horst zugestanden bekommt. Das sind exemplarisch nur einige Beispiele der für Windkraftanlagen empfindlichsten Tierarten, die eine besondere Schutzzone eingeräumt bekommen. Auswirkungen gibt es auch auf andere Waldbewohner wie Eulen, Dohlen, Hohltauben, Spechte und das gesamte Ökosystem eines Waldes.