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Alternativen zur Umsetzung der Energiewende

Endenergieverbrauch 2011 in Deutschland. (Quelle: Umweltbundesamt, Daten zur Umwelt)

Erschienen im Mittelhessen-Bote am Mittwoch, 30.04.2013

Der heutige, letzte Beitrag der Reihe „Aspekte zur Nutzung der Windenergie“ der Bürgerinitiative „Windkraft im Spessart – Im Einklang mit Mensch und Natur e.V.“ beschäftigt sich mit Alternativen zu Windkraftanlagen zur Umsetzung der Energiewende.

  • Was versteht man eigentlich unter dem Begriff Energiewende?

    Mit der Energiewende soll eine Wende weg von einer Energieversorgung auf Basis fossiler Brennstoffe hin zu einer Versorgung durch erneuerbare Energien erfolgen. Damit werden zwei Ziele verfolgt: zum einen mehr Unabhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe, zum anderen eine Reduzierung des Ausstoßes von Kohlendioxid zum Schutz des Weltklimas. Obwohl die Energiewende im Grunde alle drei Bereiche – Strom, Wärme und Verkehr – umfasst, fokussiert sich die öffentliche Wahrnehmung zurzeit vor allem auf dem Strombereich. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Umwälzungen im Strombereich aufgrund der hohen Subventionen schneller vorangehen als in den anderen Bereichen. Der Stromsektor ist infolge des jahrzehntelangen, politisch hoch aufgeladenen Kampfes um die Kernenergie sowie der dezentralen und damit auch für alle Menschen sichtbaren erneuerbaren Energien in der öffentlichen Debatte deutlich präsenter als die vergleichsweise wenig in Erscheinung tretenden Veränderungen im Wärme- und Verkehrsbereich. 

  • Eine Fokussierung der Energiewende auf den Strombereich ist nicht sinnvoll

    Betrachtet man den Anteil der einzelnen Energieträger am Endenergieverbrauch für 2011, so haben die Mineralölprodukte (zum Beispiel Heizöl oder Kraftstoffe) einen Anteil von rund 38 Prozent, Erdgas einen Anteil von 24 Prozent und Strom nur etwa 22 Prozent (Quelle: Umweltbundesamt, Daten zur Umwelt). Das heißt, selbst die komplette Erzeugung unseres Stroms aus regenerativen Energien würde die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nur um rund ein Viertel reduzieren. Dies zeigt aber, dass sich nur durch die gleichzeitige Reduzierung der anderen Energieträger eine tatsächliche Energiewende erreichen lässt. 

  • Wo werden die fossilen Energieträger Mineralölprodukte und Erdgas verwendet?

    Der überwiegende Anteil der Energieträger Mineralölprodukte und Erdgas werden im Verkehr und in den privaten Haushalten verbraucht. Rund 40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland entfallen auf das Heizen von Räumen und die Erwärmung von Wasser, zwei Drittel davon in Privathaushalten. Auf den Verkehrssektor entfallen etwa 25 Prozent des Energieverbrauchs, wobei circa 90 Prozent durch Mineralölprodukte bereitgestellt werden. Die Bereiche Verkehr und Wärme sind damit neben der Erzeugung von Strom die größten Verbraucher fossiler Brennstoffe und damit auch die Hauptquellen für Treibhausgase. 

  • Welche Alternativen bieten sich an?

    Die Fokussierung auf den Sektor Strom durch eine überhöhte Subventionierung der Stromgewinnung durch Photovoltaik und Windkraft führt leider dazu, dass die beiden anderen Bereiche Verkehr und Wärme vernachlässigt werden. Die Stromerzeugung wird über das EEG in 2013 mit über 20 Milliarden Euro subventioniert (Quelle: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Januar 2013). Bei starkem Wind und hohem Sonnenangebot übersteigt aber die erzeugte Strommenge bereits jetzt den Bedarf in Deutschland. Damit unser Stromnetz nicht kollabiert, wird der Strom dann zu extrem niedrigen Preisen ins Ausland exportiert. Allein in 2012 wurde dieser Stromexport mit etwa 3 Milliarden Euro bezuschusst. Es wäre aber jetzt wichtiger, den unkontrollierten Ausbau zu begrenzen. Ein Teil der Subventionen sollte vielmehr dazu verwendet werden, neue Technologien, wie Stromspeicher oder intelligente Netze zu entwickeln, um den anfallenden Strom besser nutzen zu können. 

  • Energieeinsparung ist auch eine Alternative

    Die unverzügliche Sanierung des Altbestandes von Gebäuden wäre eine wichtige Maßnahme, um den Verbrauch an fossilen Energieträgern nachhaltig zu mindern und die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren. Bedauerlicherweise wird aber zur Zeit noch der Löwenanteil der Subventionen über das erneuerbare Energiegesetz gerade nicht in diesen Bereich geleitet. Dabei wäre mit einer besseren Wärmedämmung des Gebäudebestands oder einem Austausch veralteter Heizungsanlagen eine beträchtliche Reduzierung des Primärenergieverbrauchs und damit des Ausstoßes von Treibhausgasen mit einem Bruchteil der Kosten möglich. Weitere Möglichkeiten wären ein verstärkter Ausbau dezentraler Energieerzeugungskonzepte, zum Beispiel durch Kraft-Wärmekopplung auf Basis von Erdgas oder in waldreichen Gebieten wie dem Spessart mit Hackschnitzeln aus Restholz. Der Schwerpunkt sollte auf einer direkten Nutzung der elektrischen Energie vor Ort durch kleine Speichereinheiten für Wohnhäuser oder für den Betrieb von Elektroautos im Nahverkehr liegen. Dadurch lässt sich auch der Aufwand für den Ausbau der Netzinfrastruktur deutlich reduzieren. Der Personen- und Güterverkehr ist heute für rund ein Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das immer noch wachsende Verkehrsaufkommen stellt deshalb eine besondere Herausforderung dar. Die ehrgeizigen Klimaziele werden in diesem Bereich allein mit den jetzigen technischen Verbesserungen und politischen Rahmenbedingungen nicht zu erreichen sein. Hier sind weitere innovative und nachhaltige Mobilitätskonzepte für Personenverkehr und Gütertransporte erforderlich. Nötig sind mehr energieeffiziente Antriebstechnologien, die sinnvolle Verknüpfung der Verkehrsträger sowie eine breit angelegte Strategie zur Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger, insbesondere auf den öffentlichen Personennahverkehr. Auch beim privaten Pkw sind die Effizienzpotenziale noch lange nicht ausgereizt. Umstieg auf kleinere Modelle oder Fahrzeuge mit innovativer Antriebstechnik wie Hybridfahrzeuge könnten den Kraftstoffverbrauch deutlich reduzieren, Carsharing und Mitfahrzentralen könnten die Auslastung von Privatfahrzeugen und Verkehrswegen verbessern. Im weiter wachsenden Güterverkehr liegen die größten Herausforderungen. Neben der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene und die Binnenschifffahrt für Masse- und Schüttgüter sind noch jede Menge technische und logistische Effizienzsteigerungen möglich. Großes Potenzial hat der kombinierte Verkehr, also die Verknüpfung von Straße und Schiene. Auch hier kann sich jeder an der Energiewende beteiligen, der Kauf regionaler und saisonaler Produkte macht längere Warentransporte überflüssig. Last but not least, auch im Bereich der Effizienzsteigerung steckt noch großes Potenzial, denn jede gesparte Kilowattstunde ist immer die umweltfreundlichste. Als typisches Beispiel sind hier veraltete Kühlschränke oder Tiefkühltruhen zu nennen, die noch in vielen privaten Haushalten ihren Dienst verrichten. Anstatt immer noch mehr Strom zu subventionieren, könnte hier eine „Abwrackprämie“ den Austausch der Stromfresser beschleunigen beziehungsweise für Haushalte mit niedrigen Einkommen überhaupt erst möglich machen und damit den Stromverbrauch drastisch reduzieren. Die Suche nach innovativen Produkten und Energieeinsparungen würde auch unserer Wirtschaft große Marktchancen im In- und Ausland eröffnen. Für alle diese Bereiche und Möglichkeiten wäre aber eine zielgerichtetere Steuerung der Energiewende durch eine Änderung der Subventionspolitik erforderlich. Bedauerlicherweise ist der von Umweltminister Altmaier gestartete Versuch der „Strompreisbremse“ gescheitert. Es bleibt zu hoffen, dass nach der Bundestagswahl im Herbst ein erneuter Versuch zu einem besseren und intelligenteren Abschluss mit einer ganzheitlichen Betrachtung des Energieverbrauchs führt.